Auch Offenstallhaltung bietet Nachteile, zumindest solange das Aussengehege nicht angelegt ist wie Jurassic Park. Da es bei meiner Fläche baurechtlich nicht möglich ist dinosauriersicher zu zäunen, begnüge ich mich mit den 105er Flexzäunen als Grenze. Das hält die Gehörnten zuverlässig auf ihrer Fläche, jedoch Hunde leider nicht draußen.
So kam es auch im Frühjahr vor 3 Jahren einmal mehr zu einem Übergriff eines „Der tut nix, der will nur spielen“. Wahlweise auch eines „Das hat er ja noch nie gemacht“. Den Hund an einem Tiergehege an der Leine vorbei zu führen, wäre auch zu einfach und würde von Respekt und Weitsicht zeugen. Hat nicht jeder. Will auch nicht jeder haben.
Jedenfalls waren es 2 Gitzi, welchen der ach so brave Familienhund ohne Jagdtrieb Verletzungen am Kopf zufügte. Zum Glück nichts lebensgefährliches und gut zu behandeln.
Das Hetzen der Herde führte allerdings außerdem dazu, dass sich bei Johanna, zu diesem Zeitpunkt hoch tragend, die Plazenta löste, wie erst Tage später klar wurde.
Eigentlich hätte sie noch 13 Tage bis zur errechneten Geburt Zeit gehabt, als die Wehen einsetzten. „Da stimmt etwas nicht, es geht auch nicht voran,“ dachte ich noch. Bei der Kontrolle war schnell klar, dass sie weder körperlich noch hormonell soweit war das Gitzi zur Welt zu bringen. Der Ausfluss hatte keine normale Farbe und roch übel. Es musste also schon länger tot sein…
Also nach dieser Erkenntnis direkt den Doc meines Vertrauens kontaktiert. Da sich ab diesem Zeitpunkt auch der Zustand von Johanna rapide verschlechterte, wollte ich ihr einerseits die Fahrt in die Tierklinik ersparen. Andererseits hatte ich zuletzt nur noch weniger gute Erfahrungen mit der Klinik machen müssen, so dass meine Bitte um einen Kaiserschnitt am Stall, bei meinem Doc auf fruchtbaren Boden fiel.
Inzwischen wurde es dunkel, also galt es in kürzester Zeit neben Helfern, Tisch und heißem Wasser, auch Flutlicht und Kopflampen zu organisieren.
Beim Eintreffen des Docs standen alle Utensilien, sowie meine beste Freundin, mein bester Kumpel, ich und eine sterben wollende Johanna bereit.
Viel Hoffnung machte uns mein Doc nach der Untersuchung nicht. Wie befürchtet, schien das Gitzi schon seit dem Hundeübergriff tot zu sein. Durch die Verwesung war es wahrscheinlich, dass sich Gifte gebildet hatten. Ein Kaiserschnitt angesichts dieser Tatsache habe laut dem Doc eine Erfolgsaussicht von 20% eher weniger. Eine Feld-Wald und Wiesen OP würde ebenfalls nicht zur Optimierung dieser Prozentzahl beitragen. Wobei ich persönlich der Meinung bin, dass sich ein Tier in der Klinik außerdem noch mit Fremdkeimen auseinander setzen muss, zuhause aber nur mit den bekannten Bestandsüblichen.
Sollte Johanna es wirklich überleben, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie ab diesem Zeitpunkt steril sein würde. Von Wirtschaftlichkeit fing er garnicht erst an, denn dafür kennt er mich zu gut.
Da er während dieser Aufklärung über die Risiken und mangelnden Erfolgsaussichten schon sein OP Besteck organisierte, schien meinem Doc klar zu sein, dass die Entscheidung stand und die angebotene Euthanasie auch wortlos als ausgeschlagen anzusehen war.
Nun ging es los.
Nach dem Ablegen ein vereintes, vorsichtiges Anheben selbiger auf den Tisch, der im übrigen bis dahin zum Wäsche zusammen legen genutzt wurde und seiner ursprünglichen Tätigkeit, ab diesem Abend, nicht mehr nach kam.
Rasur der Seite, an welcher der Schnitt gesetzt werden würde…
So standen wir beim Öffnen von Johannas Bauchdecke da: meine Freundin die Dosierungsspritze mit dem Narkosemittel für den Zugang in der Hand, ( zum Nachdosieren der Narkose bei vorzeitigem Erwachen) mein Kumpel für Licht sorgend, ich die Vitalzeichen überwachend und dem hochkonzentrierten Doc assistierend.
Nach kurzer Zeit war das Lamm geborgen. Leider kam ein Riss in der Gebärmutter zum Vorschein. Kurz darauf ein Zweiter. Die Befürchtung: Das, durch das verwesende Lamm, kontaminierte Fruchtwasser könne so in die Bauchhöhle gelangt sein…
Wieder ein fragender Blick meines Docs in meine Richtung und ein Entgegnen meinerseits mit „Wir sind keine Aufgebertypen! Außerdem machst Du so schöne Nähte, das will sich keiner Deines Fanclubs hier entgehen lassen!“
Also erst die Gebärmutter genäht, danach Johannas Bauchdecke verschlossen. Zwischenzeitlich musste mein Kumpel, seines Zeichens ehemaliger Zeitsoldat, das Geschehen wegen Kreislaufproblemen verlassen, was zeigt, dass das alles sicher kein angenehmer Anblick war.
Die Aufwachphase überstanden, galt es nun Johanna Ruhe zu gönnen. Separiert vom Rest der Herde, verbrachte sie nun antibiotisch abgedeckt und mit Schmerzmittel versorgt, ihre erste und wohl auch kritischste Nacht. Das Hoffen und Bangen begann nun auch für mich. Kurzzeitig euphorisch durch den guten OP Ablauf, wurde mir klar, dass die nächsten 4 Tage entschieden, ob die Nachtschicht erfolgreich war.
Der nächste Morgen: appetitlos und geschwächt stand sie vor mir, aber lebendig! Die Narbe sah gut aus. Wirklich nur minimal geschwollen.
Mit Pansenstimulanz und Flüssigenergie glich ich diesen Tag ohne Futteraufnahme aus.
Am Folgetag begann sie zum Glück alleine etwas zu fressen.
In ständigem Kontakt mit dem Doc, wurden etwaige Temperatur Messungen, die weitere Medikation von Antibiose und Schmerzmitteln besprochen.
Am Tag der Absetzung selbiger, machte sich mein Doc nochmals persönlich ein Bild ihres Zustandes und entschied: „ja! Es sieht entgegen aller Erwartungen wirklich gut aus!“
Die folgenden Tage bestätigten es. Johanna hat es tatsächlich geschafft. Nachdem die Fäden gezogen waren, durfte sie auch wieder 24 Stunden zur Herde. Zuvor nur unter Aufsicht.
Im Spätsommer, beim obligatorischen Impftermin, war mein Doc mit dem Heilungsprozess so zufrieden, dass er kein Problem darin sah, sie bei der Zuchtherde zu belassen. Ob sie allerdings tragend werden könne, darüber sei er sich nicht sicher. Ein Austragen jedenfalls, würde kein Problem darstellen.
Im nächsten März brachte Johanna dann 2 gesunde Gitzi. Das Mädel mit einem weißen Strich an der Bauchseite, an welcher ihre Mutter die Kaiserschnittnarbe hat.
Johanna stolz, in diesem Jahr wieder selbst Nachwuchs aufziehen zu dürfen.
Mein Doc stolz, ob seiner superguten Arbeit.
Ich stolz, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Ach…, und mein Kumpel stolz, sich bei der OP nicht übergeben zu haben.
Und für Euch vielleicht ein Mutmacher, solltet Ihr irgendwann in einer ähnlichen Situation mit einem Eurer Tiere sein.